Eine Goldgrube im Wertstoffhof

Foto: UCDplus GmbH/Bastian Ehl
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Ein gelber Toaster, eine rote Kaffeemaschine, ein weißer Mixer: Wer sich auf dem Wertstoffhof auf Schatzsuche begibt, wird schnell fündig. Denn jedes dritte Elektrogerät hat seinen Dienst noch längst nicht quittiert. Warum also wegwerfen, was durchaus noch nützlich sein kann? Über munteres Konsumverhalten, ein Potpourri an Materialien und ein Kreislauf ohne Verantwortung.

Text: Katharina Remiorz

Zwei Millionen Geräte werden jedes Jahr aufwendig produziert und neu auf den deutschen Markt gebracht. Knapp 800.000 Tonnen landen zugleich auf Wertstoffhöfen, um dort ressourcenintensiv zerlegt und nach ihren Bestandteilen sortiert zu werden – von den Massen, die sich zudem ungenutzt in heimischen Schubladen und auf Speichern verbergen, ganz zu schweigen.

Zukunft für Bewährtes

Wertvolle und endliche Rohstoffe wie Gold, Silber oder aus Öl gefertigte Kunststoffe gehören nicht in den Müll. Das hat sich der Forschungsverbund „Recyclingregion Harz“ auf die Fahne geschrieben. Über 200 der ausrangierten Elektrokleingeräte haben deshalb im Recyclinglabor der Hochschule Magdeburg-Stendal ein vorläufiges zu Hause gefunden. Dort werden sie – von Haartrocknern, Radios bis hin zu diversen Küchengeräten – händisch auseinander gebaut und auf ihre Materialvielfalt untersucht. „Im Schnitt bestehen die Geräte zu 45 Prozent aus verschiedenen Metallen. 24 Prozent sind diverse Kunststoffarten“, weiß Mitarbeiter Lars Tegtmeier. Darunter befinden sich besonders häufig sogenannte thermoplastische Terpolymere, die mechanisch zerkleinert werden und als Regranulat neuen Produkten Leben einhauchen. Auch Kunststoffe wie Polypropylen oder Polyethylenterephthalat, kurz PET, werden zahlreich verbaut. Letzteres hat aktuell einen Marktpreis von etwa 400 Euro die Tonne. „Das ist kein Müll, kein Abfall. Das sind Wertstoffe“, gibt Prof. Dr.-Ing. Gilian Gerke, Projektleiterin und Professorin im Studiengang Recycling und Entsorgungsmanagement, zu bedenken.

Küche statt Schrotthalde

Doch weil sich die Materialien in Geräten häufen und nur schwer voneinander trennen lassen, gehen sie nicht selten als Sekundärware verloren. Umso wichtiger ist es, Technik für Büro, Küche und Co. gewissenhaft zu nutzen und bei Bedarf zu reparieren. „Was uns umtreibt, ist die Frage danach, aus welchen Gründen Verbraucherinnen und Verbraucher Geräte abgeben und wie wir sie für eine möglichst lange, ressourcenschonende Nutzung sensibilisieren können“, appelliert die Professorin. Dabei fand das Team bei Befragungen heraus: 37 Prozent der entsorgten Produkte sind nach wie vor intakt. Das Ergebnis überrascht nur wenig, vergleicht man die jährlichen Neuerscheinungen auf dem Markt. „Die Geräte werden schlichtweg durch bessere, attraktivere Technik abgelöst“, ist sich Gilian Gerke sicher.

Design for Recycling

Die Industrie fordert die Wegwerfgesellschaft heraus: mit immer neuen Artikeln und zugleich minderwertigen Materialien. So verbergen sich unter dem Gehäuse, das sich häufig nicht zerstörungsfrei öffnen lässt, Schwachstellen wie ausgeleierte Keilriemen oder Sparelektronik. Insbesondere bei Kleingeräten kam das Team zu dieser Erkenntnis. Ein Paradigmenwechsel scheint notwendig – in der Politik, Industrie bis hin zu Konsum und Verwertung.

Eine Bildungsoffensive, die auch die Gründung einer eigenen Kinderakademie vorsieht, soll die Umwelt ins Bewusst- sein rücken. „Es geht darum, miteinander zu reden und Verantwortung zu übernehmen“, erklärt Gilian Gerke und ergänzt: „Auch die Hersteller müssen sich über ihre Produkte und dessen Lebensweg Gedanken machen. Ihre Geräte sollten so gestaltet werden, dass sie in das abfallwirtschaftliche System hineinpassen und die Möglichkeit erhalten, recycelt zu werden. Viele Hersteller nehmen das nicht ernst.“

Die Zukunft liegt in der Minimierung des Rohstoffverbrauchs und in einer ganzheitlichen Betrachtung des Produktlebenszyklus, warnt auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung. Wie das gelingen kann, zeigt Design-Student Christian Lucklum. Im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit entwickelt der 33-Jährige einen Toaster ohne Sparelektronik, ohne Materialvielfalt, dafür aber mit hohem Recyclingpotenzial. Durch den modularen Aufbau können defekte Bauteile oder die unliebsam gewordene Farbe des Gehäuses schnell und einfach ausgetauscht werden – der Toaster erhält ein neues Kleid, der Weg zum Schrottplatz bleibt ihm erspart.

Mehr Forschungsgeschichten im Forschungsmagazin „treffpunkt forschung“ und im Hochschulmagazin „treffpunkt campus“

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