Eine Technologie ohne Gerechtigkeitssinn

Prof. Dr. Elke Grittmann (l.) und Dr. Lina Brink haben untersucht, wie soziale Gerechtigkeit in der Berichterstattung zum Thema KI behandelt wird. Foto: Matthias Piekacz

Prof. Dr. Elke Grittmann und Dr. Lina Brink von der Hochschule Magdeburg-Stendal haben untersucht, ob und wie soziale Gerechtigkeit in der Berichterstattung zum Thema KI behandelt wird. 

Ende November 2022 veröffentlichte das amerikanische Unternehmen OpenAI den kostenfreien KI-Chatbot ChatGPT. Dieser wird zunehmend bekannter, beliebter und alltäglicher. Techunternehmen zeichnen das Bild einer zukunftsweisenden Technik, die zu strukturellen Veränderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen führen wird. Aber berichten so auch Medienunternehmen über die neue Technologie? Prof. Dr. Elke Grittmann und Dr. Lina Brink von der Hochschule Magdeburg-Stendal haben – gefördert durch die Otto Brenner Stiftung – im Rahmen einer Studie untersucht, ob und wie soziale Gerechtigkeit in der Berichterstattung zum Thema KI behandelt wird. „KI-Technologien, wie ChatGPT sind in unserem Alltag angekommen. Technik ist aber kein Selbstläufer und es ist wichtig, dass eine Gesellschaft weiß, was auf sie zukommt und dass diese Entwicklung beeinflusst werden kann“, sagt Prof. Dr. Elke Grittmann, Professorin für Medien und Gesellschaft. 



Ausgangspunkt ihrer wissenschaftlichen Erhebung war die Veröffentlichung von ChatGPT. Die zwischen Dezember 2022 und November 2023 veröffentlichten Artikel mit einem Schwerpunkt zu KI wurden in ihrer Erhebung aufgenommen. 2.217 Artikel aus neun führenden deutschen Medien, haben Grittmann und Brink mit Unterstützung studentischer Hilfskräfte untersucht. Während die Berichterstattung zuerst spielerisch wirkte und sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Technologie befasste, dominierten insgesamt wirtschaftliche Aspekte, wie die Produktentwicklung oder die Vorstellung der Tech-Akteure. Zunehmend wurden Anwendungsmöglichkeiten in Bereichen wie Bildung, Politik, Gesundheit oder Software näher beleuchtet. Als letzten Bereich beobachteten Grittmann und Brink einen Fokus auf die Frage nach politischen Forderungen. Was kann KI leisten und welche Probleme können durch KI entstehen? 



„In der Berichterstattung wird sehr viel über die Möglichkeiten von KI geschrieben, aber gleichzeitig wird auch intensiv berichtet, welch Verbindungen und Auswirkungen sie haben kann“, führt Grittmann aus. In rund einem Viertel der untersuchten Artikel behandelte Fragen zu den Auswirkungen von KI auf soziale Gerechtigkeit. Die Medien problematisieren zum Beispiel die mangelnde Transparenz, mit welchen Daten KIs trainiert werden. Den Hintergrund dieser Thematik erklärt Dr. Lina Brink, promovierte Medienwissenschaftlerin: „Die KI-Branche verdient unglaublich viel mit ihrer Technologie, aber diejenigen die ihnen die Daten liefern, werden nicht entlohnt, sondern dienen einfach der Datenfütterung. Allein das ist eine ökonomische Ungleichheit. Hinzu kommt, dass die Trainingsdaten von KI oft eine Wertung beinhalten und wenn diese bereits diskriminierend sind, sind es auch die KIs.“ Ein in den Medien thematisiertes Beispiel dafür seien KI-gestützte Prozesse, um Vorentscheidungen zu treffen. Wird der Wohnort in einer Bewerbung genannt, kann er – zusammen mit weiteren Daten wie Kriminalitätsrate oder Durchschnittseinkommen – dazu führen, dass Bewerbende automatisch aussortiert und so Ungleichheiten gefördert werden.

Die Ergebnisse ihrer Erhebung haben Brink und Grittmann insgesamt positiv überrascht. Die Berichterstattung sei breiter und kritischer als sie aufgrund der Euphorie angenommen haben. Trotzdem wünschen sie sich eine differenziertere und beispielhaftere Berichterstattung. KI ist im Alltag angekommen und kann viel für die Gesellschaft leisten: „Allein an der Hochschule Magdeburg-Stendal gibt es bereits konkrete Anwendungen mit KI. Wenn darüber in Reportagen oder Hintergrundberichten berichtet wird, kann das, zusätzlich zur kritischen Berichterstattung, einen wichtigen Beitrag zur Information und Aufklärung über die Technologie leisten“, resümiert Grittmann. 
Text: Leonie Deubig

Link zur Studie:

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