Empfehlungen für die Nutzung von KI im Journalismus

Die Professoren Michael Graßl, Jonas Schützenender und Klaus Meier (v. l.). Fotomontage: KU Eichstätt-Ingolstadt. Fotos: upd/Schulte Strathaus (Graßl und Schützeneder) und Upd/Christian Klenk.

Magdeburg/Eichstätt. Künstliche Intelligenz verändert die Welt – und auch den Journalismus. Bereits jetzt unterstützt KI Medienschaffende über den kompletten Produktionsprozess hinweg, von der Recherche bis zur Verbreitung von Nachrichten. Kommunikationswissenschaftler der Hochschule Magdeburg-Stendal, der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Hochschule Macromedia München zeigen in einem Grundlagenpapier für die Friedrich-Ebert-Stiftung auf, wie KI das journalistische Arbeiten an vielen Stellen erleichtern und optimieren kann – und worin die Gefahren der neuen Technologien liegen. Die Verfasser empfehlen Redaktionen, Leitlinien und Orientierungshilfen zu formulieren und rufen die Politik dazu auf, solche Plattformen stärker zu kontrollieren, auf denen Nachrichten verbreitet werden.

Ein Radiosender mit Moderatoren, denen die Künstliche Intelligenz eine Stimme gibt. Videos auf Online-Plattformen, die Szenen abbilden, die nie stattgefunden haben. Nachrichtentexte, die von keinem Journalisten verfasst wurden, sondern von ChatGPT geschrieben sind. All das ist bereits Realität. Obwohl KI-Anwendungen noch in den Kinderschuhen stecken, sind sie schon heute zu Enormem fähig. So kann die Ende des vergangenen Jahres veröffentlichte „Wolf-Schneider-KI“ der Online-Journalistenschule Reporterfabrik Texte nach den Stilregeln des legendären Sprachkritikers redigieren und umschreiben. Braucht es da überhaupt noch Menschen in den Redaktionen?

Die drei Journalismus-Professoren Jonas Schützeneder (Hochschule Magdeburg-Stendal), Klaus Meier (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) und Michael Graßl (Hochschule Macromedia) haben für eine Studie untersucht, welchen Mehrwert KI im Nachrichtenjournalismus heute schon bietet, was die Folgen der neuen Technologie sind und welche Perspektiven und Empfehlungen Journalismus und Politik in den Blick nehmen sollten. Damit KI einen Mehrwehrt im journalistischen Newsroom darstellen kann, gelte es, verschiedene Dinge zu beachten, so die Autoren. Zunächst müsse eine „technisch-optimistische Redaktionskultur“ geschaffen werden. „Journalismus und Medien können die zunehmenden Potenziale von KI-Tools nicht ignorieren. Einfach Abwarten oder Abblocken – das ist keine Lösung“, sagt Prof. Dr. Klaus Meier, der in Eichstätt Journalistik lehrt. Vielmehr gelte es, gemeinsam und „mit offener Neugier“ auf die rasante Entwicklung zu blicken, diese unter guter Moderation und bei Bedarf mit externer Unterstützung aktiv auszuprobieren und die Potenziale und Schwächen immer wieder neu zu diskutieren.

Die Experten sprechen sich für die Etablierung redaktioneller Leitlinien aus. „Unkenntnis und Unsicherheit sowohl beim Publikum als auch in den Redaktionen über mögliche Risiken von KI-Anwendungen im Journalismus hemmen derzeit noch die Entwicklung“, stellt Prof. Dr. Jonas Schützeneder fest.

Die Redaktionen sollten deshalb aufklären und erklären, welche Tools zu welchem Zweck eingesetzt werden und wo die Grenzen liegen. „Verantwortung und Sorgfaltspflicht müssen immer  bei der Redaktion bleiben.“ Branchenweit könne eine Ergänzung des Pressekodex hilfreich sein, etwa indem Standards zur Kennzeichnung von Medienbeiträgen, die unter Verwendung von KI entstanden sind, entwickelt werden. Skeptisch sehen die Journalistik-Professoren hingegen Forderungen nach einer Zertifizierung von KI-Tools. Denn eine Qualitätsüberprüfung werde vermutlich den technischen Entwicklungen nicht nachkommen, außerdem sei journalistische Qualität nicht zertifizierbar.

Gefahren sehen die Experten im Zusammenhang mit KI-Anwendung – mehr noch als in den Redaktionen mit ihren journalistischen Routinen – auf den Social-Media-Plattformen, die Content ausspielen.  Diese würden bislang zu wenig unternehmen, um manipulierende und demokratiegefährdende Inhalte wie Desinformation und Hassrede zu verhindern. Der deutschen, europäischen und internationalen Medienpolitik falle eine effektive Regulierung der Plattformen schwer, doch hier seien weiter Anstrengungen nötig. „Gleichzeitig muss die öffentliche Aufklärung durch den Journalismus gestärkt werden – als Gegengewicht auf Basis von Recherche, Faktencheck und Aufklärung“, so Klaus Meier. Es lägen eine Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch, wie Journalismus gestärkt werden könne – gegebenenfalls auch mit Steuermitteln. Meier und seine Fachkollegen schlagen insbesondere eine verstärkte Innovationsförderung vor, etwa durch eine Unterstützung öffentlicher Media Labs oder durch öffentliche Fonds für Innovationen im Journalismus, die wettbewerblich vergeben werden. „Es ist empirisch erwiesen, dass Innovationen im Journalismus seine Leistungen für die Demokratie stärken.“

Politik, Medien, Wissenschaft und Bildung seien gefragt, an einer Stärkung der Medienkompetenz mitzuarbeiten. Zwar gebe es hier eine Vielzahl von Initiativen, jedoch seien Unkenntnis und Unsicherheit noch weit verbreitet. „Es braucht eine gezielte Medienkompetenzförderung, die die neuen KI-Technologien einschließt“, sagt Prof. Dr. Michael Graßl. Dies müsse bereits in den Schulen beginnen, aber auch eine alltagsnahe Auseinandersetzung in Unternehmen, Vereinen und Familien sei wichtig. „Alle sind dabei gefragt, die Politik kann hier mit gutem Beispiel vorangehen und aktiv Formen und Programme fördern, die an dieser Stelle für Aufklärung und Wissen sorgen.“

Die drei Journalistik-Professoren, die an ihren Hochschulen den journalistischen Nachwuchs ausbilden, sehen auch sich selbst in der Pflicht: „KI wird immer mehr zum zu einem Kernthema, wenn wir unsere Studierenden auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten“, so Klaus Meier. Auch die Lehre in den Journalistik- und Medienstudiengängen müsse die Chancen und Risiken von KI noch stärker in den Curricula verankern, um die Medienschaffenden von morgen bestmöglich vorzubereiten.

Das Originalpapier
Der Beitrag „Grenzen überwinden, Chancen gestalten – KI im journalistischen Newsroom“ ist erschienen in „FES impuls“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, und online abrufbar.


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