Kinder und Jugendliche im digitalen Dschungel

Dr. Gunnar Mau ist studierter Psychologe und seit Oktober 2024 Professor für Marketing und Handel an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Foto: Matthias Piekacz
Verantwortungsvoll mit sozialen Medien umgehen: Im Mai 2025 startet das Forschungsprojekt „EmKoSoMe“, bei dem Prof. Dr. Gunnar Mau und die Doktorandin Lisa Christen von der Hochschule Magdeburg-Stendal emotionale Kompetenzen beim Umgang mit sozialen Medien untersuchen.
Worum geht es in dem Projekt?
Mau: Ausgangspunkt unserer Forschung ist, dass Kinder und Jugendliche eine starke Bindung zu Influencern aufbauen, die ihr Verhalten beeinflusst. Besonders junge Menschen suchen nach Vorbildern, denen sie nacheifern können. Zwei Drittel der Influencer wählen diesen Beruf jedoch aus kommerziellen Gründen. Diese finanzielle Motivation kombiniert mit ihrem großen Einfluss auf Follower ergibt unserer Meinung nach eine explosive Mischung.
Wie lässt sich der Einfluss von Influencern auf Kinder und Jugendliche steuern?
Gesetzgeber haben versucht, Werbung bei Influencern zu kennzeichnen – doch Studien zeigen, dass dies oft wirkungslos bleibt oder sogar das Vertrauen in Influencer stärkt. Follower fühlen sich ihnen durch eine sogenannte parasoziale Bindung verbunden und glauben, dass sie nur für Produkte werben, die sie selbst gut finden. Statt Skepsis entsteht oft noch mehr Vertrauen.
Was ist mit parasozialer Beziehung gemeint?
Eine normale Beziehung ist wechselseitig – beide Personen interagieren miteinander. Bei einer parasozialen Beziehung hingegen gibt es keinen direkten Austausch. Ich empfinde eine Verbindung zu einer Person, die mich gar nicht kennt. Das ist kein neues Phänomen: Schon früher, etwa bei der Auflösung der Band Take That, fühlten sich viele Fans ihnen so nah, dass es zu emotionalen Krisen kam.
Welche Rolle spielen Emotionen dabei?
Analysen zeigen, dass Influencer häufig Werbe- und Verkaufstechniken wie künstliche Verknappung – „Das ist fast ausverkauft!“ – oder Statusdarstellung – „Ich bin erfolgreich, folgt meinem Rat!“ – einsetzen. Emotionen wie Neid und das Gefühl, nicht genug zu sein, spielen dabei eine zentrale Rolle. Das Problem: Diese Mechanismen zielen oft darauf ab, Menschen das Gefühl zu geben, dass sie etwas brauchen – und dass ein Produkt die Lösung ist.
Welches Ziel verfolgt das Projekt?
Ein Vorgängerprojekt untersuchte die digitale Konsumwahl junger Menschen und entwickelte frei zugängliche Bildungsmaterialien für Lehrkräfte. Doch neben Materialien braucht es auch gezielte Vermittlung. Daher planen wir praxisnahe Workshops für Lehrkräfte, Elternberatungen und Schulen. Denn Kinder und Jugendliche erkennen die Probleme oft selbst, ihnen fehlen jedoch Strategien. Sie schätzen klare Regeln, wie handyfreie Zeiten am Abendbrottisch. Unser Ziel ist es, Eltern und Lehrkräften Werkzeuge zu geben, um diese Themen wirksam anzusprechen.
Welche langfristigen Auswirkungen erhoffen Sie sich von dem Projekt?
Soziale Medien beeinflussen stark die Meinungsbildung und Identitätsentwicklung junger Menschen, doch viele Eltern ziehen sich zurück. Es geht nicht nur um Medienkompetenz, sondern darum, Kinder aktiv durch den digitalen Dschungel zu begleiten. Statt Handyverboten in Schulen sollten wir fragen, wie wir jungen Menschen helfen, verantwortungsvoll mit digitalen Medien umzugehen. Mein Ziel ist es, mit Projekten wie diesem das Bewusstsein, besonders bei Eltern, zu schärfen.
Die Fragen stellte Laura Naujoks für die Pressestelle.
Emotionaler Konsum im Sozial-Media-Zeitalter: Strategien zur Förderung informierter Entscheidungen (EmKoSoMe)
Auftraggeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
Verbundpartner: Hochschule Magdeburg-Stendal, Universität Siegen
Fördersumme: ca. 200.000 Euro
Laufzeit: 1.5.2025 bis 30.4.2027
Bildungsmaterial: Suchbegriff „Resilienz stärken! Junge Menschen in neuen digitalen Konsumrollen“