Studie fragte Kinder nach ihren Perspektiven und Erfahrungen zu Covid-19

Kita-Kinder haben eine konkrete Vorstellung davon, was Corona ist, wie sich das Virus auswirkt und wie die Covid-19-Situation den Alltag der Kindertagesstätte, aber auch den Lebensalltag der Kinder zuhause verändert.

In einer partizipativen qualitativen Studie des Kompetenzzentrums Frühe Bildung (KFB) der Hochschule Magdeburg-Stendal wurde die Sicht der Kinder auf Corona erhoben. Die Studie wurde im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Situation des Landes Sachsen-Anhalt durchgeführt. Wie haben die Kinder die Kita-Schließung während des Lockdowns erlebt? Was hat es mit ihnen gemacht, ihre gewohnten Abläufe nicht mehr zu haben? Wie hat es auf sie gewirkt, dass sie nicht in die Kita gehen konnten oder unter ganz anderen Bedingungen betreut worden sind? Diese Fragen wurden untersucht. In der Studie stand die Perspektive von Kindern im Kita-Alter im Mittelpunkt. Die Kinder sprachen über ihr Verständnis von Corona, ihr Erleben eines veränderten Kita-Alltags, ihre Erfahrungen mit Hygiene- und Abstandsregeln sowie ihre Zukunftswünsche.

Die Ergebnisse wurden bereits bundesweiter Fachöffentlichkeit präsentiert und stoßen auf große Resonanz. Besonders die Fokussierung auf die Kinderperspektive wurde sehr positiv aufgenommen.

Zentrale Ergebnisse im Überblick:

Verständnis von Corona:
Die Kinder haben konkrete Vorstellungen darüber, was Corona ist und wie die damit verbundene Situation ihren Alltag in der Kita, aber auch den Lebensalltag zuhause verändert. Die interviewten Kinder beschreiben das Virus bspw. als „unsichtbares Wesen“ oder als „Krankheit, bei der man zuhause bleiben muss“.

Betreuungssituation: 
Die Notbetreuung in der Kita während des Lockdowns empfanden die Kinder einerseits als positiv, weil es ruhiger war und sie mehr Zeit zum Spielen hatten. Andererseits vermissten sie ihre Freunde und bemängelten die räumlichen Einschränkungen sowie die kleinere Auswahl an Spielzeug. Sie erlebten außerdem eine eingeschränkte Angebotsstruktur seitens der Kita, beispielsweise dass die Vorschule nicht mehr stattgefunden hat. Kinder, die in der Zeit des Lockdowns zuhause von der Familie betreut wurden, sprachen von vielen gemeinsamen Aktivitäten mit Eltern, Großeltern und Geschwistern und durften häufiger Medien nutzen. Sie vermissten jedoch ihre Spielpartner, die pädagogischen Fachkräfte und die Kita selbst als Lern- und Bildungsort. Den Übergang in die Kita empfanden die befragten Kinder einheitlich als positiv und freuten sich über das Wiedersehen mit ihren Freunden.

Veränderungen im pädagogischen Alltag:
Die Kinder haben den veränderten Kita-Alltag durch Corona genau registriert. Sie empfanden die Bring- und Abholsituation am Eingangsbereich der Kita einerseits als befremdlich, schätzten aber andererseits ihre dadurch größere Selbstständigkeit und eine ruhigere Garderobensituation. Die Kinder hatten auch Lösungsvorschläge: Die Eltern könnten beim Bringen der Kinder mit Mundschutz in die Einrichtung gehen oder nur die Kleinen in die Kita begleiten. Corona schränkte auch die Spielsituation ein. Bestimmte Themenräume waren geschlossen, Kinder durften sich nur noch in einer zugewiesenen Gruppe und/oder einem Raum aufhalten. Die Kinder berichteten, dass sie Abstand halten müssen und dass sowohl Spielpartner aus anderen Gruppen als auch Spielzeug in anderen Räumen vermisst wurde. Die Lösungsvorschläge der Kinder bestanden vor allem darin, dass die Kinder selbst gefragt werden wollen, mit wem, wo und womit sie spielen möchten und sie so bei der Gruppeneinteilung mitbestimmen können. Auch in der Essenssituation bemängelten die Kinder, dass sie sich oft selbst nicht mehr auftun dürfen oder entscheiden dürfen, was und wie viel sie essen möchten. Gut fanden die Kinder jedoch, dass manchmal auf dem Hof gegessen oder gepicknickt wurde. Die Schlafsituation wurde unterschiedlich von den Kindern bewertet. Einige Kitas entwickelten Regeln (weiter), dass Matratzen mit den Namen der Kinder beschriftet werden und die Kinder „entgegengesetzt schlafen“, so dass die Köpfe der Kinder nicht aneinander liegen.

Veränderungen zu Hygieneregeln: 
Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) wurde von vielen interviewten Kindern als unangenehm angesehen, unabhängig davon, ob sie selbst einen MNS trugen oder nicht. Einige Kinder zeigten Verständnis und erkannten die Notwendigkeit für das Tragen eines MNS. Dennoch ist ihnen negativ aufgefallen, dass das Hörverständnis gegenüber Erwachsenen geringer ist, die Maske rutscht und die Atmung eingeschränkt sein kann. Die Hygieneregel „Hände waschen“ wurde hingegen von vielen Kindern als „gar nicht schlimm“ beschrieben. Sie schlussfolgerten, dass durch das Händewaschen „Bakterien“ und „ganz viele Tiere abgehen“. In einigen Kitas bestand die Regel, die Hände zu desinfizieren. Dem bringen einige Kinder das Verständnis entgegen, dass dies wichtig sei, um Viren zu töten. Allerdings empfanden sie es als nachteilig, dass das Desinfektionsmittel lange in den Händen verrieben werden muss und dass es bei einer Wunde auf der Haut brennt. Ebenso berichteten einige Kinder, dass auf das Zähneputzen verzichtet wurde, was die Kinder nicht problematisch fanden.

Zukunftswünsche:
Für die Zukunft wünschten sich die Kinder, dass Corona „vorbeigeht“, „weggeht“ und „nie wiederkommt“. Außerdem besteht der Wunsch, die Pandemie solle enden und die Hoffnung darauf, dass zum ursprünglichen pädagogischen Alltag zurückgekehrt werden kann. Ganz philosophisch reagierte ein Kind auf die Frage nach den Zukunftswünschen mit der Aussage „Die Zukunft darf machen, was sie möchte.“

An der Studie beteiligten sich zehn Kitas in Sachsen-Anhalt (Halle, Magdeburg, Halberstadt, Hettstedt, Eisleben, Naumburg und Wernigerode), von denen 28 Kinder im Alter von 3 bis 7 Jahren mit qualitativen Interviews befragt wurden. Befragt wurden sowohl Kinder, die in der Notbetreuung waren, als auch Kinder, die während des Lockdowns in den Familien betreut wurden. Zwar sind nicht alle Auswirkungen von Corona von den Kindern als negativ eingestuft worden, aber insbesondere wurden die regulären Alltagsstrukturen sowie die gewohnte Mitbestimmung und Teilhabe im Kita-Alltag vermisst. Die mit der Studie erhobenen Erfahrungen und insbesondere auch die Lösungsstrategien der Kinder sollen in Zusammenhang einer darauf aufbauenden breiteren Studie Hinweise zur Entwicklung eines (pädagogischen) Pandemie-Konzepts für Kitas in Sachsen-Anhalt geben.

Weitere Informationen: 
Ruben Wendrock – Kompetenzzentrum Frühe Bildung
h2.de/kfb
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