Studie zur Förderung der Fischbestände in Gewässern ausgezeichnet

Sechs-Jahres-Studie an 20 Baggerseen zeigte: Aufwertung von Lebensräumen im Flachwasser ist der Schlüssel zum Erfolg und fördert Fischbestände nachhaltig. Foto: Florian Möllers/AVN
Mit dem Frontiers Planet Prize für die Gewässerforschung wurde in Deutschland eine Studie ausgezeichnet, für deren Veröffentlichung Professor Johannes Radinger Erstautor ist. Die Studie zeigt, dass insbesondere die Schaffung von Flachwasserzonen den Fischbestand in den Seen und die Reproduktion von Fischen nachhaltig erhöhte und auch die Vielfalt anderer Organismengruppen wie Libellen oder Wasserpflanzen förderte. Die gängige Praxis des Fischbesatzes ist in dem Versuch hingegen fehlgeschlagen.
Am diesjährigen Earth Day (22. April 2025) wurden die 19 National Champions des internationalen Frontiers Planet Prize bekannt gegeben – einem weltweit renommierten Forschungspreis im Bereich Nachhaltigkeit. Für Deutschland wurde eine in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Studie zur Wirksamkeit ökologischer Aufwertungsmaßnahmen auf Fischbestände unter Projektleitung von Professor Robert Arlinghaus (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei/Humboldt-Universität zu Berlin) prämiert. Erstautor der Studie ist Professor Johannes Radinger von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Die international beachtete Arbeit liefert anhand eines groß angelegten Ganzseeexperiments belastbare Evidenz dafür, dass ökosystembasiertes Management von Gewässern messbare positive Effekte auf Fischpopulationen hat – ein bedeutender Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung aquatischer Ökosysteme.
Professor Jean-Claude Burgelman, Direktor des Frontiers Planet Prize, sagte: „Angesichts der immensen Bedrohungen für die Menschen und den Planeten brauchen wir mutige, transformative Lösungen, die sich auf Fakten stützen und wissenschaftlich fundiert sind. Innovative und skalierbare Lösungen sind der einzige Weg, um ein gesundes Leben auf einem gesunden Planeten zu gewährleisten.“
Eine dieser Lösungen, die zur Kategorie „Naturbasierte Lösungen und Wiederherstellung von Ökosystemen“ gehört, ist in der nun ausgezeichneten und in der Fachzeitschrift Science 2023 erschienenen Studie beschrieben: Die Revitalisierung von Seen durch die Schaffung von Flachwasserzonen und das Einbringen von Totholz. Weltweit werden Millionen von Fischen in Gewässer ausgesetzt, um die natürlichen Fischbestände zu stärken. Dass diese Praxis nicht erfolgreich ist und wie es besser geht, zeigt die unter Projektleitung von Prof. Robert Arlinghaus und unter Erstautorenschaft von Prof. Johannes Radinger entstandene Studie. Die Besonderheit der Studie von Arlinghaus und seinem Team ist unter anderem die enge Verbindung von Forschung und Anwendung.
Mehr Lebensraum ist besser als mehr Fische
Das Forschungsteam hat in einem Vorher-Nachher-Experiment über sechs Jahre in 20 Seen verglichen, wie sich das Fischbesatz und die Aufwertung der Lebensräume auf die Fischbestände auswirken. „Das war ein einzigartiger Freilandversuch, in dem wir in enger Zusammenarbeit mit der Angelpraxis auf der Ebene des gesamten Ökosystems mit verschiedenen Bewirtschaftungsvarianten experimentiert haben. So ein großes, wiederholtes und vor allem kontrolliertes Ganzseeexperiment gab es in dieser Form bisher nicht“, erläutert Robert Arlinghaus.
„Über einen Zeitraum von sechs Jahren wurden rund 160.000 Fische und viele andere Tierarten vor und nach Maßnahmendurchführung beprobt, um zu untersuchen, wie die jeweiligen Organismengruppen auf die Schaffung von Lebensräumen oder das Einsetzen von insgesamt 40.000 einzeln markierten Fischen reagieren“, ergänzt der Erstautor der Studie, Johannes Radinger. Er gehörte zur Arbeitsgruppe von Robert Arlinghaus und ist jetzt Professor für Gewässer- und Renaturierungsökologie im Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit in Magdeburg. Die Studie zeigte, dass ein ökosystembasiertes Management, insbesondere die Schaffung von Flachwasserzonen, den Fischbestand in den Seen und die Reproduktion von Fischen nachhaltig erhöhte und auch die Vielfalt anderer Organismengruppen wie Libellen oder Wasserpflanzen förderte. Die gängige Praxis des Fischbesatzes, an der viele Angelvereine aber auch andere Naturschutzakteure weltweit häufig festhalten, ist in dem Versuch hingegen fehlgeschlagen. Das Einbringen von Totholz als Strukturelement zeigte gewässerspezifisch und artabhängig positive Effekte auf Fische und andere Organismen, war aber gegenüber der Schaffung von Flachwasserzonen weniger erfolgreich.
Angelvereine als wichtige Partner
Das vom BMBF in den Jahren 2016 bis 2022 finanzierte Forschungs- und Umsetzungsprojekt BAGGERSEE, das Grundlage der gewürdigten Science-Publikation war, wurde in enger Zusammenarbeit mit Dutzenden Angelvereinen im Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN) durchgeführt. Hunderte Personen aus der Angelpraxis waren an der Maßnahmenumsetzung und der Datenerhebung beteiligt. „Die Ergebnisse haben direkte Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Angelvereine Seen bewirtschaften. Aktuell läuft ein Vermittlungsprojekt als Anschluss, in dem die Ergebnisse deutschlandweit, auch in Sachsen-Anhalt, an Angelvereine über die Projektvereine hinaus kommuniziert werden“, sagt Prof. Thomas Klefoth von der Hochschule Bremen, der das BAGGERSEE-Projekt zusammen mit Robert Arlinghaus entwickelt und ehemals als Fischereibiologe des AVN koordiniert hat.
Süßwasserfische sind gefährdet
Süßwasserfische gehören zu den am stärksten gefährdeten Wirbeltieren weltweit. In Deutschland beispielsweise gilt gemäß der Roten Liste der Süßwasserfische jede zweite Art als gefährdet. Einer der Hauptgründe ist der Verlust an angemessenem Lebensraum. Wirksame Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen sind erforderlich, um diesen Rückgang umzukehren. Ein vielversprechender Ansatz ist das ökosystembasierte Management, das darauf abzielt, wichtige ökologische Prozesse, Lebensräume und Beziehungen zwischen Arten zu verbessern oder wiederherzustellen, anstatt sich auf die Beseitigung einzelner Stressoren oder die Unterstützung einzelner Arten nur über Fischbesatz zu konzentrieren. Dieser umfassende Ansatz ist jedoch oft kostspielig und mit hohen bürokratischen Hürden verbunden. Politische Entscheidungsträger zögern daher, in ökosystembasiertes Management zu investieren, solange es keine soliden wissenschaftlichen Belege für seine Wirksamkeit gibt. Mit der großen experimentellen Feldstudie, die auch Kontrollgewässer einbezog und so belastbare Ergebnisse hervorbrachte, wurde die Erfolgsaussicht Ökosystem-bezogener Maßnahmen nun auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt. Entscheidend ist die Verbesserung der zentralen beschränkenden Lebensräume. In Baggerseen sind das Flachwasserzonen, in anderen Gewässertypen können aber auch andere Lebensraumstrukturen wichtige sein, wie beispielsweise die Wiederherstellung von Auen in Fließgewässern.“, so Johannes Radinger.
Auswahl der Nationalen Champions
Die Nationalen Champions für wissenschaftliche Durchbrüche im Bereich Nachhaltigkeit wurden von einer Jury aus 100 renommierten Nachhaltigkeitsforscher:innen weltweit unter Vorsitz von Professor Johan Rockström vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung ausgewählt. Die Nationalen Champions werden nun in die Endrunde des Wettbewerbs einziehen, in der im Juni 2025 drei internationale Champions vorgestellt werden, die jeweils 1 Mio. USD für ihre weitere Forschung erhalten.