Zehn Jahre „Denken ohne Geländer“ in Stendal

Professorin Dr. Katrin Reimer-Gordinskaya im Gespräch mit Natan Sznaider. Foto: Edda Gehrmann
Mit einem Festakt wurde das Jubiläum der Veranstaltungsreihe „Denken ohne Geländer“ am 25. Januar 2025 in Stendal gewürdigt. Vor zehn Jahren schlug die Geburtsstunde von »Denken ohne Geländer«. Was als einmaliges Ereignis von Studierenden der Hochschule Magdeburg-Stendal initiiert wurde, entwickelte sich zu einem kontinuierlichen Projekt. Zahlreiche Institutionen und Menschen von jung bis alt wirkten bis heute daran mit.
Ein Jahrzehnt, das „aufzeigt, was aus Hingabe und Begeisterung erwachsen kann.“ Mit diesen Worten drückte Landesjustizministerin Franziska Weidinger am Sonnabend im Theater der Altmark ihre Wertschätzung für eine Veranstaltungsreihe aus, die einzigartig in Sachsen-Anhalt ist. Die Hochschule Magdeburg-Stendal, das TdA und die Landeszentrale für politische Bildung gestalten seit 2016 rund um den 27. Januar, den Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, ein Programm gegen das Vergessen und für Menschlichkeit. Der Schwerpunkt liegt in der Hansestadt Stendal, Veranstaltungsorte finden sich aber auch in beiden altmärkischen Landkreisen.
Die Landeszentrale gestaltet „Denken ohne Geländer“ von der ersten Stunde an mit, vor allem in Person der stellvertretenden Direktorin Cornelia Habisch. Im Interview mit ihr wollte Moderatorin Antonia Kaloff vom MDR wissen, wie man junge Menschen für die Auseinandersetzung mit der Geschichte gewinnt. Cornelia Habisch sprach von der sehr großen Wirkung, die Berichte von Zeitzeugen, auch in medialer Form, haben: „Sie motivieren ganz viele Jugendliche, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.“ 14 Veranstaltungen in Grundschulen, Sekundarschulen, Gymnasien und im Berufsschulzentrum des Landkreises Stendal hat „Denken ohne Geländer“ 2025 im Programm, die sich mit dem geistigen Erbe der Auschwitz-Überlebenden Batsheva Dagan befassen. Sie starb 2024 im Alter von 100 Jahren in Israel. Ursprünglich sollten es zehn Workshops sein – die Nachfrage von Schulen aus der gesamten Altmark war enorm hoch.
Im Gespräch zwischen dem Ehrengast des Abends, dem israelischen Soziologen Natan Sznaider, und Katrin Reimer-Gordinskaya von der Hochschule Magdeburg-Stendal, ging es ums deutsch-jüdische Gespräch seit der Aufklärung bis in die Gegenwart. Was mit Lessing und dem in Dessau geborenen Mendelssohn begann, wurde in der Gestalt von Nathan dem Weisen bald zu einem unerreichten Wunschbild. Juden, die sich durch Assimilation Anerkennung verschaffen wollten, blieben von jener ,Toleranz‘ abhängig, die ihnen alsbald entzogen wurde. Und die, die in der Tradition weiterlebten, blieben bedroht. Weder Unsichtbarkeit noch Sichtbarkeit boten Sicherheit. Dieses Dilemma zwischen Anpassung und Autonomie steht im Zentrum des jüngsten Buches von Sznaider, „Die jüdische Wunde“ (2024). An ihm wird die Ambivalenz der Moderne deutlich, die in der Katastrophe des Holocaust mündete.
Alle Informationen zum Programm, das bis zum 9. Februar andauert, gibt es auf der Projektwebsite: www.denken-ohne-gelaender.de
Veranstaltet von: Hochschule Magdeburg-Stendal, Theater der Altmark und Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt
In Zusammenarbeit mit: Freiwilligen-Agentur Altmark e.V., Institut für demokratische Kultur der Hochschule Magdeburg-Stendal, Hansestadt Stendal, Stendaler Geschichtswerkstatt, Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen, Musikforum Katharinenkirche, Café »bohne & praline« Stendal, Stadtbibliothek Stendal, Uppstall-Kinos Stendal, Kunstplatte Stendal, Domgemeinde Havelberg, Jüdisches Museum Berlin.
Gefördert von: Landesprogramm »Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit« Sachsen-Anhalt, Integrative Demokratieforschung im Land Sachsen-Anhalt (IDLSA), Partnerschaften für Demokratie der Hansestadt Stendal und des Landkreises Stendal