Mit Rotation zur inneren Balance

Erst zwei, dann drei Kugeln – dank der guten Anleitung gelingt Christin am Trainingsende das Jonglieren. Fotos: Nancy Hase

Aus treffpunkt campus Nr. 69, 06/2012

Oft saß ich als Kind im Zirkuspublikum und bestaunte die Jongleure in der Manege. Mit welcher Leichtfertigkeit sie diese so kompliziert aussehenden Figuren mit ihren zahllosen Bällen, Keulen und Stäben entstehen ließen. Umso mehr erwachte diese einstige Bewunderung bei einem Blick in das Sportangebot der Hochschule wieder zum Leben: Es wird ein Jonglier-Kurs angeboten! Ohne Zögern ergreife ich die Gelegenheit, die mystische Wurfkunst einmal selbst auszuprobieren.

Text: Christin Eckstein

Mein Coach ist Alex Leymann. Er jongliert bereits seit 15 Jahren und gibt spezielle Workshops während der Trainingszeiten in der Sporthalle der Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg. Während des gesamten Kurses sehe ich seine Arme rotieren, in seinen Händen mal Kugeln, mal Keulen, in oft nicht eindeutiger Zahl. Wenn er nicht gerade Gegenstände um seinen Kopf kreisen lässt, arbeitet der 27-Jährige als wissenschaftlicher Mitarbeiter für theoretische Physik an der Universität. Mit etwas Theorie beginnt auch meine Trainingsstunde. „Jonglieren kann man im Prinzip alle Dinge, die man kompliziert manipulieren kann“, erläutert Alex seine eigene Definition der Sportart. Da werde ich skeptisch: Kann man die Jonglage überhaupt als Sport bezeichnen? Immerhin steht der Kurs auf der Angebotsliste der Hochschulsportdisziplinen. Des Trainers leicht empörte Antwort: „Natürlich gibt es Jonglier-Varianten, die wettkampfmäßig betrieben werden. im Grunde genommen ist es aber wie mit dem Joggen: ich kann es als Hobby praktizieren, ich kann aber ebenso gut an einem Marathon teilnehmen.“ Klingt logisch. Für mich bedeutet Sport allerdings auch einen gewissen Grad an körperlicher Anstrengung. Da ist der Unterschied zum Joggen schon größer und ich bezweifle, dass man bei dem bisschen Armbewegung wirklich ins Schwitzen geraten soll. Auch hier hängt die Betrachtungsweise vom Jongleur ab: „Nach einem vernünftigen Training mit anderthalb Stunden Programm bin ich sowohl körperlich als auch geistig total erschöpft. Allerdings gibt es nur wenige andere Tätigkeiten, nach denen ich so fröhlich und ausgelassen bin“, beschreibt mir der Hobbyjongleur, der sich die Techniken weitestgehend selbst beibrachte.

Am Ende seiner Einführung drückt er mir zwei mit Sand gefüllte Plastikkugeln in die Hand. Warum nur zwei, fehlt da nicht eine? „Zur Koordinationsübung“, ruft er mir zwischen seinen vier, inzwischen schon wieder schwebenden, Keulen zu. ich solle beide Kugeln parallel nach oben werfen und fangen. Das Werfen ist einfach, die Koordination ist beim Fangen gefragt. Nach ein paar Durchgängen aber fliegen die Kugeln schön gleichmäßig und parallel in meine Hände. Dann kommt die dritte Kugel dazu. „Jetzt musst du deine Unterarme kreisen lassen und die Kugel immer erst nach oben werfen, wenn die vorige genau über dir ist“, lautet diesmal die Anweisung. Meine ersten Versuche müssen kläglich aussehen, ich mache mehr Bekanntschaft mit dem Parkettboden als mit der Hallendecke. Immer wieder komme ich aus dem Rhythmus und eine Kugel verlässt die vorgesehene Flugbahn. „Versuch, deine innere Balance zu finden“, rät Alex mir. Mit der Zeit lässt meine Konzentration nach und ich versuche nicht mehr, krampfhaft an die Bewegungen zu denken. Ich stelle mir einfach vor, dass meine Arme zwei rotierende Windmühlen wären. So simpel wie es klingt – es klappt! Im Takt lasse ich die Kugeln tanzen und ernte ein anerkennendes Kopfnicken vom Coach. Plötzlich ist alles im Fluss. So stelle ich mir Meditation vor: Der Kopf leer, der Körper leicht und die Seele frei.

Nach einer guten Stunde Übung mit Bällen und Keulen habe ich es also gelernt – das einst mit Kinderaugen bestaunte Jonglieren. Zum Andenken darf ich meine drei Kugeln mitnehmen. Beruhigend rieselt der Sand in den Plastikhüllen, als ich sie in meine Tasche packe. „Als alltägliches Koordinationstraining für Rechtshänder empfehle ich dir, zukünftig die Dinge auch mal ‚mit links‘ anzugehen“, gibt Alex mir noch mit auf den Weg. ich danke ihm für seine exzellente Anleitung und gehe tatsächlich fröhlich und ausgelassen nach Hause. Ich habe inzwischen auch eine eigene Definition der Sportart für mich gefunden: Jonglieren führt im Prinzip dazu, dass alle Dinge, die sonst kompliziert manipuliert sind, leicht und lösbar werden.

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