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„In jedem Fall den König beschützen!“
Schachlehrer Michael Rost verrät Tipps und Tricks – bleibt nur die Frage, ob ich damit meinen Gegner besiege? Fotos: Lukas Schulze
Aus treffpunkt campus Nr. 70, 01/2013
Schon oft habe ich mir die Frage gestellt, warum Schach als Sportart bezeichnet wird. Müsste es dann nicht auch die Sportarten Kreuzworträtsellösen oder Monopoly geben? Fest entschlossen, eine Antwort darauf zu erhalten, habe ich mich zu einer Stunde Schach-Training aufgemacht.
Text: Deborah Schmieg
Der Schachkeller liegt hinter der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg in einem unscheinbaren Haus. Man findet keine Anzeichen dafür, dass hier der größte Schachverein Sachsen-Anhalts seinen Sitz hat und dort abends gerne einmal die Köpfe rauchen. Stattdessen braucht man starke Arme, um überhaupt die eiserne Kellertür öffnen zu können. Im Inneren findet man fast ausschließlich Tische, bedeckt mit Schachbrettern und Schachuhren, umgeben von freiliegenden Ziegelsteinmauern und -säulen. Eine wahrlich „schachige“ Atmosphäre.
Zur Vorbereitung auf meine Trainingsstunde habe ich in den Weihnachtsferien schon fleißig mit meinem Vater geübt. Mir ist also bekannt, dass ein Schachfeld aus 64 weißen und schwarzen Feldern besteht, die Dame so ziemlich alles darf und dass „Schachmatt“, sobald es nicht aus meinem Mund kommt, mein Ende bedeutet. Prof. Dr. Michael Rost lehrt tagsüber an der Hochschule Magdeburg-Stendal am Fachbereich Bauwesen. Donnerstagabends jedoch verwandelt er sich als Mitglied des Universitätssportclubs „Otto von Guericke“ Magdeburg e. V., Sektion Schach/GO/ÖDG und leidenschaftlicher Schachspieler in den Schachlehrer Rost. Vor einer etwa zehnköpfigen Gruppe aus Studierenden des Hochschulsports und älteren Mitgliedern des Vereins steht er vor einer großen Magnettafel an der Wand. Darauf befestigt findet man alle nötigen Schachfiguren – die Bauern, Türme, Springer, Läufer, Damen und natürlich die Könige.
„Heute wollen wir noch einmal eine Eröffnung üben“, begrüßt uns Rost. Ich bekomme noch mit, dass die kommenden Spielzüge berühmt sind und aus irgendeiner Partie früherer Fürsten stammen, dann geht es plötzlich los: „Den Bauern nach vorn, mit dem Springer angreifen. Läufer E3, Dame D7.“ Die Zuhörer lauschen gebannt, spielen ein paar Züge am eigenen Brett nach und rufen Vorschläge nach vorne. Ich aber musste mir eingestehen, jetzt schon den Faden verloren zu haben. Meinen Gegenüber Daniel frage ich flüsternd: „Merkst du dir das jetzt etwa alles auswendig?“ Aber der 25-jährige Student lacht nur und antwortet: „Nein, nicht auswendig. Aber ich merke mir die Möglichkeiten, die ich habe, wenn meine Figuren mal so stehen sollten.“
Schnell wird mir klar, dass man Schach nicht einfach nur spielt, sondern dass es notwendig ist, vorausschauend zu handeln und einen Plan zu haben. „Man darf keine Angst vor gewagten Zügen haben“, mahnt Rost seine Zuhörer. Als passiven Zug schiebt er zielsicher die weiße Dame von D1 auf E1 und blickt fragend in die Runde. Auch unscheinbare Züge können Auslöser für einen Sieg sein, lerne ich in diesem Moment. Weitere Züge, Läufer auf C5, dann kommt der Turm „und schon ist der König zerschossen. Schachmatt!“, ruft der lehrer und sorgt für Begeisterung im Raum, „Schach kann so schön sein, wenn die Figuren gut stehen.“
Die Atmosphäre in dem eigentlichen Poker-Keller ist gemütlich. In der Ecke steht noch der Weihnachtsbaum, im Nebenraum wird gequatscht, aber an den Tischen ist es jetzt plötzlich ganz still geworden. Jeder hat einen Gegner gefunden, es wird Partie für Partie gespielt und auch ab und zu gewechselt. Mutig fordere ich Daniel zu einem Spiel heraus und frage mich, ob das nicht schwer für ihn sein muss, gegen einen Anfänger zu spielen, denn die sind nicht berechenbar, oder? Scheinbar schon. Denn ich verliere nach einer Viertelstunde. Ohne die Tipps meines Gegners hätte ich wahrscheinlich nicht einmal fünf Minuten durchgehalten.
Als ich endlich meine Frage stellen kann, warum das Schachspielen eine Sportart ist, brechen alle in Gelächter aus. „Andersrum, warum ist Angeln oder Billard spielen ein Sport?“, fragt mich Rost zurück. „Die einen schreiben gerne, die anderen denken gerne nach, wieder andere rennen gerne einem Ball hinterher“, grinst Daniel. Befriedigt hat mich diese Antwort noch nicht, aber vielleicht hat es ja etwas mit Training zu tun, der Ausdauer und der Vorbereitung. Meinen Respekt hat der Denksport nach diesem Abend allemal.
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