Urlaub auf Staatskosten?

Karikatur: Phil Hubbe

Aus treffpunkt campus Nr. 83, 02/2015

Die Gründe für die Griechenlandkrise reichen weit zurück. Über Jahre hat der Mittelmeerstaat Schulden angehäuft, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ohne dabei Reformen umzusetzen. Durch die vorgezogene Parlamentswahl im Januar 2015 ist die Diskussion rund um die wirtschaftliche Lage in Griechenland neu entflammt.

Text von Prof. Dr. Volker Wiedemer

500 Euro Zuschuss von der deutschen Staatskasse soll man bekommen, wenn man seine Ferien in Griechenland verbringt. So lautet ein Vorschlag, den kürzlich zwei Bundestagsabgeordnete in die Diskussion um mögliche Hilfen für Griechenland eingebracht haben. Dann wäre allen geholfen: Die Deutschen machen mehr Urlaub und die Griechen bekommen das, was sie am nötigsten brauchen, nämlich Geld.

Bevor wir die Sinnhaftigkeit des Vorschlags beleuchten, bedarf es einer Aufarbeitung der aktuellen Lage. Der griechische Staat hat in der Vergangenheit zu wenig Geld eingenommen, als dass er damit seine Ausgaben finanzieren konnte. Der entstandene Schuldenberg von etwa 318 Mrd. Euro ist aber nicht einfach die Folge einer fehlenden „Haushaltsdisziplin” oder „Steuerzahlungsmoral”. Der Blick auf die Industrielandschaft offenbart die eigentlichen hartnäckigen Probleme: Griechische Unternehmen agieren weder in zukunftsfähigen Branchen noch sind sie besonders von internationaler Wettbewerbsfähigkeit gekennzeichnet. Spricht man mit Analysten von Banken, bekommt man eher eine pessimistische Einschätzung bezüglich des Potenzials der griechischen Unternehmen zu hören. So erwirtschaften beispielsweise die 50 größten griechischen Unternehmen zusammen etwa so viel wie der deutsche E.ON-Konzern. Das langfristige Ziel muss also lauten, die Unternehmenslandschaft strukturell so aufzustellen, dass sie international wettbewerbsfähig ist.

Ein Problem ist, dass die bisherigen Griechenlandhilfen nicht primär die Unternehmenslandschaft, sondern das Bankensystem stützen. Im Gegenzug für die Milliarden von der EU soll die griechische Regierung (Spar-) Reformen umsetzen, die erhebliche Einschnitte bedeuten: Lohnkürzungen, Stellenabbau, etc. Die Bevölkerung bekommt also die Griechenlandhilfen kaum zu spüren, wohl aber die Sparpakete. Das Wahlergebnis ist damit erklärbar. Infolge des Sparens und der wirtschaftlichen Gesamtsituation hat die Arbeitslosigkeit stark zugenommen. Von etwa acht auf 27 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Besonders hart trifft es die gut ausgebildeten jungen Menschen. Diesem „Humankapital” fehlt eine spürbare Zukunftsperspektive und es droht abzuwandern. Ein Unterfangen, das schwer kalkulierbare Risiken einer Abwärtsspirale in sich birgt.

Der Vorschlag von staatlich bezuschusstem Urlaub in Griechenland ist eine kontraproduktive Maßnahme, so schön und angenehm sie auch klingen mag. Das Geld wird kaum in Griechenland ankommen, denn die Zahl der deutschen Griechenlandurlauber erhöht sich durch die Maßnahme nur wenig (meine Studierenden nennen das etwas geschwollen die Preisinelastizität der Nachfrage). Und die deutschen Urlauber, die sich sowieso für Griechenland entschieden haben, stecken die 500 Euro dankbar in die eigene Tasche. Ganz davon abgesehen, was die Spanier, Italiener und Portugiesen davon halten. Da die Zahl an Urlaubsreisen im Jahr annähernd fix ist, werden etwaige „Erfolge” dieser Maßnahme auf Kosten der anderen (südeuropäischen) Länder gehen, weil ihnen die Urlauber abwandern. Urlaub ist also ein hartes Geschäft und Griechenland ist auch ohne die 500 Euro eine Reise wert. Die griechische Tourismusbranche ist international wettbewerbsfähig, andere Branchen leider nicht.

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