„Früher wollte ich Motorradfahrer werden“

Aus treffpunkt campus Nr. 105, 10/2021

Der Zufall führte Prof. Dr.-Ing. Bernd Ettmer und die Wasserwirtschaft vor 30 Jahren zusammen. Heute ist er Leiter des Instituts für Wasserwirtschaft und Ökotechnologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal. In treffpunkt campus erzählt er, warum er statt auf dem Motorrad in der wasserbaulichen Versuchshalle gelandet ist und was aus seinem Jugendtraum geworden ist.

Erzählt von Prof. Dr.-Ing. Bernd Ettmer, unter Mitarbeit von Katharina Michel

Dass ich 1990 angefangen habe, an der Fachhochschule Nordostniedersachsen in Suderburg Bauingenieurwesen zu studieren, war Zufall. Als Schüler hatte ich keine Ahnung, was ich werden sollte. Früher wollte ich Motorradfahrer werden. Nach der Schule bin ich erst einmal zur Bundeswehr gegangen. Damals gab es nämlich noch die Wehrpflicht. Ein Freund hat mir dann erzählt, dass es in der Nähe von meiner Heimatstadt Celle, in Suderburg, eine Fachhochschule gibt, an der man „was mit Wasser“ studieren kann. Als ich mich für den Studiengang Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt Wasserwirtschaft einschrieb, hatte ich keinen blassen Schimmer, was mich erwarten würde. Doch die Studiendauer war mit sechs Semestern und einem Vorpraktikum überschaubar. Mein Gedanke: Ich würde möglichst schnell arbeiten und Geld verdienen können, um damit ein Motorrad zu kaufen. Das war immer die Triebfeder.

Sein Steckenpferd finden

In meinem zweiten Vorpraktikum, das ich in einem Ingenieurbüro machte, das sich mit naturnahen Gewässern und deren Gestaltung sowie mit Renaturierung beschäftigte, habe ich gemerkt, dass mich dieser Bereich interessiert. Die Arbeit hatte etwas mit Ökologie, Tieren sowie Menschen zu tun und damit, die Natur wieder „schöner“ zu machen. Diese ökologischen Umgestaltungen waren, gemeinsam mit zum Beispiel hydraulischen Messverfahren, Teil meines Studienschwerpunkts Wasserwirtschaft. In den ersten drei Semestern hieß es aber erst einmal: Grundstudium. Auf dem Plan standen Mathe, Biologie, Chemie sowie Physik und als Krönung auch noch Massivbau und technisches Zeichnen. Da habe ich relativ schnell gedacht, dass dieses Studium vielleicht doch nicht das Richtige ist.

Doch das erste Semester ging schnell vorbei. Das Studium war ja auch nett und es wurden tolle Partys gefeiert. Und irgendwie bin ich dann weiter durchgerutscht. Als ich im dritten Semester mein Vordiplom in der Hand hatte, war klar: Ich ziehe das durch. Und dann kamen die interessanten Fächer. Plötzlich war das Eis gebrochen und ich habe gemerkt, dass das genau das ist, was mir Spaß macht. Während meines Studiums haben mich die hydraulischen Berechnungen am meisten begeistert – also zu verstehen, wie ein Fluss fließt und warum er so fließt, wie er fließt. Diese Berechnungen sind mein Steckenpferd und zu diesem Thema lese ich auch heute noch freiwillig Sachen.

Alkohol für Mensamarken

Auch das studentische Leben in Suderburg war sehr lustig. Eine Geschichte, an die ich mich bis heute erinnere: Die Mensa der Hochschule war extrem schlecht. Kaum jemand hat dort gegessen. Zum Bezahlen in der Mensa bekamen wir aber vom Studentenwerk als Subvention Marken. Der Wirt der Mensa merkte schnell: Wenn er die Marken nicht kriegt, kann er mit dem Studentenwerk nicht abrechnen. Also richtete er in seinem Keller eine Haustheke ein, in der er Alkohol zu extrem überteuerten Preisen verkaufte. Die Besonderheit: Man konnte dort mit den Mensamarken bezahlen. Die Studierenden wurden also ihre wertlosen Marken los und bekamen im Gegenzug Alkohol. Der Wirt wiederum konnte mit den Marken gegenüber dem Studentenwerk abrechnen.

Auf die Bauchstimme hören

Nach meinem Abschluss in Suderburg wollte ich unbedingt noch weiter studieren. Es war aber auch klar: Ich musste irgendwie Geld verdienen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Hannover, wo ich einen Job in einem Ingenieurbüro annahm und parallel versuchte, an der Universität weiter zu studieren, wechselte ich an die Technische Universität in Braunschweig. Das Wasserbaulabor dort hatte mich schon während meines Studiums in Suderburg begeistert. Ich studierte Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Wasserbau, Küsteningenieurwesen und Hydrologie. Nebenher arbeitete ich weiter für das Ingenieurbüro in Hannover.

Dass ich mich nach meiner Zeit in Suderburg und trotz meines Jobs als Bauingenieur noch einmal an der Universität einschrieb, war damals ein Unding. Das sei doch verplemperte Zeit, wurde mir zugetragen. Doch ich kann den Studierenden heute nur raten: Machen Sie das, was Sie wirklich interessiert und was Sie wirklich möchten. Hören Sie auf Ihre Bauchstimme und nicht auf die Ratschläge anderer.

Bis 2008, als ich an die Hochschule Magdeburg-Stendal wechselte, bin ich an der Universität in Braunschweig geblieben. Ich habe dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet, promoviert und zuletzt die wasserbauliche Versuchshalle geleitet. Und mein Traum vom Motorrad fahren? Den habe ich zum Hobby gemacht. Ich mache jedes Jahr Motorradtouren und schraube in meiner Freitzeit in meiner Garage gern an ihnen herum.

Mehr Erinnerungen an die Studienzeit in „Lehrende und ihre Studienanfänge“

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